Die Kappellgenossenschaft

Eine am 28. Oktober 1912 von 38 Heerbrugger Katholiken gegründete (privatrechtliche) Kapellgenossenschaft - später verschiedentlich auch als «Kapellverein» bezeichnet - hatte sich nämlich nicht nur zum Ziel gesetzt, «den unhaltbaren Zuständen ein Ende zu setzen und womöglich eine glückliche Lösung der Sache herbeizuführen», sondern «eine eigene, grössere Kapelle zu bauen und zu unterhalten ... und so den Grundstein zu einer katholischen Kirchgemeinde Heerbrugg zu legen ...». Man lud alle «unbescholtenen» katholischen Einwohner der Schulgemeinde Heerbrugg zum Beitritt und zur Mitarbeit ein. Am 1. Januar 1913 waren von 867 Heerbruggern 522 oder 60% katholisch; 222, d.h. 42,5% von ihnen waren deutschsprachig, 300 oder 57,5% italienischsprachig. Die Mitglieder verpflichteten sich zu monatlichen Beiträgen von mindestens 30 Rappen und zum Verkauf von möglichst vielen «Bausteinen» im Wert von wenigstens 50 Rappen. Aber nach schwungvollem Beginn stellte man u.a. «infolge der gegenwärtig schweren Zeit» und da der neue Bischof (Robertus Bürkler) - im Gegensatz zu dessen Vorgänger (Ferdinandus Rüegg) - den Heerbrugger Bemühungen nur wenig gewogen schien, eine «gewisse Ermüdung» fest. In Tat und Wahrheit dürfte es eine bedeutende Ermüdung gewesen sein; denn für die Zeit vom 15. November 1913 bis zum 12. Februar 1915 fehlen jegliche weitere Aufzeichnungen.

Dann aber beschloss man, im März 1915, «den Verein trotz der geringen Sympathien von massgebender Seite nicht aufzugeben» und auch «die Brücke zwischen diesen und jenen Kommissionsmitgliedern und den eifrigen Jüngern des Vereins Wieder aufzubauen.» Lange indessen wird die Brücke nicht gehalten haben; das nächste Protokoll datiert nämlich erst vom 2. Oktober 1926.

Dieses berichtet wiederum von den «äusserst misslichen Verhältnissen in der Pastoration der Katholiken in Heerbrugg (-Au)». Darum habe der Gnädige Herr eine Delegation zu einer Besprechung nach St.Gallen geladen und ihr dann versichert, dass er nunmehr mit der Gründung einer Kapellgenossenschaft Heerbrugg einverstanden sei und wünsche, «dass die Sache alsbald an die Hand genommen werde». Daraufhin erläuterte Rechtsanwalt und Grossrat Dr. Karl Weder-Schubiger an einer Versammlung seinen stimmberechtigten katholischen Mitbürgern die von Gesetzes wegen bestehenden Möglichkeiten zu handeln, und diese - 29 aus der politischen Gemeinde Au und 8 aus der politischen Gemeinde Balgach - gründeten eine neue (Kapell-) Genossenschaft öffentlichen Rechtes und beschlossen, in Heerbrugg, in den Rheintaler Dekanaten und in weiten Teilen der Schweiz eine breitangelegte Bettelaktion und Kollekte zugunsten eines Kapellenbaues durchzuführen. Katholisch Heerbrugg zählte damals, gemäss einer Statistik vom 27.10.26, auf Balgacher Boden 46 Einwohner, 10 davon mit Schweizer Bürgerrecht, und auf dem Gebiet der Gemeinde Au 129, unter diesen 30 Schweizer. - Als erste Spende übermittelte der Bischof Fr. 500.-. Mit dem Administrationsrat verhandelte man um die Zusicherung einer Subvention für den Bau der Kapelle, mit den Herren Jacob und Ernst Schmidheiny um einen geeigneten Bauplatz und - da von Au keinerlei Unterstützung zu erwarten sei - mit der Pfarrei Balgach über ein Zusammengehen und die allfällige Verlegung der dortigen Kaplanei nach Heerbrugg. Im März 1929 übernahm Balgach mit Zustimmung des Ordinariates und des Administrationsrates und schliesslich auch der Pfarrei Au und mit regierungsrätlicher Genehmigung gegen eine jährliche Entschädigung von Fr. 1750.- die Pastoration von Heerbrugg «bis zur Zeit, da dort ein eigenes Gotteshaus gebaut werde; dann solle die Verbindung gelöst und eine eigene Kirchgemeinde Heerbrugg errichtet werden.»

Nationalrat Ernst Schmidheiny verfolgte die Bemühungen der Heerbrugger Katholiken mit Interesse und Sympathie und schenkte ihnen ein Grundstück im Vesten mit der Auflage, dass sie darauf bis Ende 1940 eine Kapelle oder Kirche bauten. All dies spornte die Kapellgenossen und vorab deren Vorstand mit Architekt Joh. Labonte als Präsident, Lehrer Alb. Gmür als Kassier, Konsumverwalter Paul Göldi als Aktuar, Dr. jur. Karl Weder (gest. 1932) und nach ihm Dr. Jos. Schwerzmann zu neuem und grösserem Eifer an.

Man gründete einen Frauenverein, dessen Mitglieder u.a. mit wöchentlichen Beiträgen zur Mehrung des Baufonds beitragen sollten; man veranstaltete einen Kirchbazar; man bemühte sich, nicht ohne Erfolg, um Beiträge des Ordinariates, aus der Zentralsteuer, von der Inländischen Mission und intensivierte die Sammeltätigkeit innerhalb des Bistums und darüber hinaus in der deutschen und der welschen Schweiz. So nahm das Vermögen der Kapellgenossenschaft in kurzer Zeit beträchtlich zu, von rund Fr. 63'000.- (davon als Baufond rund Fr. 50'000.-) Ende Juni 1933 auf rund Fr. 106'500.- Ende Juni 1936 und auf Fr. 123'000.- im Verlauf der beiden nächsten Jahre. Das Rechnungsjahr 1937/38 bildete denn auch, wie im Amtsbericht von 1938 zu lesen ist, «einen Markstein in der Geschichte unserer Kapellgenossenschaft, welche ... auf ihr 25jähriges Bestehen zurückblicken konnte, ... und brachte eine doppelte Krönung der jahrelangen Bestrebungen der Katholiken von Heerbrugg ...».

Auf Neujahr 1938 hatte Bischof Aloisius den bisherigen Kaplan von Andwil, Viktor Schmon zum Pfarrer von Heerbrugg ernannt. «... Am 22. März, dem Tag unseres Landesvaters Nikolaus von Flüe, welchen wir zum Patron unseres Gotteshauses erwählten, erfolgte» - auf einem von der Firma Jac. Schmidheiny und Cie erworbenen Grundstück im Nefen - «der erste Spatenstich zu einem Pfarrhaus und einer Kapelle.» Man hatte sich für diesen Platz entschieden, weil man auf Grund erster Sondierungen glaubte annehmen zu müssen, dass das Bauen auf dem Areal im Vesten weit kostspieliger wäre. Die Herren Schmidheiny hoben die Bedingungen auf, die sie seinerzeit an die Schenkung geknüpft hatten, so dass die Kapellgenossenschaft, resp. die Pfarrei fortan nach Belieben über dieses Land, den «alten Bauplatz», wie es nun in den Protokollen genannt wurde, nach Belieben verfügen konnte. - Am 4. September wurde die Kapelle von Domdekan und Bistumsverweser Dr. Augustin Zöllig - Bischof Aloisius war kurz zuvor verstorben -feierlich geweiht.