Die Kirchgemeinde
Seit der Auflösung des Pastoralvertrages mit Balgach war katholisch Heerbrugg eine selbständige Pfarrei. 1954 stellte die Inländische Mission ihre jährlichen Beiträge an diese, resp. die Kapellgenossenschaft ein und entliess Heerbrugg mit einem grosszügigen Geschenk von Fr. 70'000.- gemäss der Stiftungsurkunde vom 11. Februar als Pfarrpfrundfond auch ihrerseits in die Unabhängigkeit. Im Jahr darnach wurde diese auch von Administrations- und Regierungsrat anerkannt. So war aus der Kapellgenossenschaft Heerbrugg die Kirchgemeinde Heerbrugg geworden. Diese befasste sich bereits mit der Schaffung eines Pfarreiheimes und errichtete hiefür und für die Renovation und Erweiterung der Kirche einen Baufond. Als 1957 die störanfällige Läuteanlage verbessert werden musste, hielten es manche für richtig, dass gleichzeitig das aus Glocken verschiedener Herkunft bestehende Geläute durch ein einheitliches und harmonischeres ersetzt werde. Nach einem heftigen und unschönen Gerangel darüber, ob ein solches von einer schweizerischen oder einer ausländischen Firma geliefert werden sollte, erteilte schliesslich die Kirchbürgerversammlung der deutschen Glockengiesserei Erding einen entsprechenden Auftrag, und am 23. März 1958 wurden die vier neuen Glocken geweiht. - 1961 wurde die Kirche nach Plänen des St.Galler Architekten Hs. Burkard ein erstes Mal durch den Einbezug der bisherigen Eingangshalle und 1967, nach der Eröffnung des Pfarreiheimes, durch den Umbau des über der Eingangshalle liegenden bisherigen Pfarrsaales zur Empore ein zweites Mal erweitert. Dabei verlor die Hauptfassade allerdings einiges an Geschlossenheit und der stillen Grösse, welche sie trotz der bescheidenen Ausmasse gehabt hatte. Das Kircheninnere dagegen gewann durch Umbauten im Sinne der Liturgiereform im Bereich des Chores (1965) und einer Renovation im Anschluss an einen Brand am 8. Oktober 1972 wesentlich an Einheitlichkeit und Reinheit der Form. Da damals auch die altersschwache Orgel - sie war s.Z. schon als Okkasionsinstrument hierher gekommen - dem Feuer zum Opfer gefallen war, beauftragte man die Firma Mönch und Söhne in Überlingen mit dem Bau einer neuen nach der Disposition des St.Galler Domorganisten Siegfried Hildenbrand. Die Kosten hiefür wurden zum einen Teil von der Versicherung, zum ändern aus Mitteln des Pfarrpfrundfonds gedeckt. Dieser war nämlich inzwischen aufgelöst worden, wie es einem Beschluss und einer Wegleitung der Schweizerischen Bischofskonferenz aus dem Jahre 1968 entsprach. Dort hatte es u.a. geheissen: «Wenn die Voraussetzungen für die Rückgabe des Stiftungsvermögens gegeben sind, fällt die eine Hälfte des Stiftungsvermögens an die Inländische Mission zurück; die andere Hälfte verbleibt dem zuständigen Bischof zur Verwendung in der eigenen Diözese . ..». Bischof Josephus Hasler stellte dann den ihm zufallenden Anteil «angesichts der bestehenden Pfarreibauschuld und der von der Versicherung nicht gedeckten Kosten der neuen Orgel» der Gemeinde zur Verfügung.
Im Jahre 1968 hatte die Kirchbürgerversammlung einer Erweiterung des bestehenden Friedhofes zugestimmt und so, obwohl zu jenem Zeitpunkt davon nicht die Rede war, den Weg freigemacht, für den späteren Bau einer Aufbahrungshalle und die teilweise Umgestaltung des Gräberfeldes für Erd- und Urnenbestattungen durch die politische Gemeinde Au.
Neben baulichen Änderungen und Erweiterungen in und um Kirche und Pfarreiheim erfuhr die Gemeinde im Lauf der letzten Jahrzehnte eine ganze Reihe von Neuerungen anderer Art.
Am 1. Dezember 1960 zählte Heerbrugg 860 Katholiken; am 1. Dezember 1970 waren es 1520 oder 58% der Bevölkerung, rund ein Drittel davon Ausländer; am 1. Dezember 1980 betrug die Zahl der Katholiken 1676. Im September 2002 zählte die Pfarrei Heerbrugg 1532 Katholiken, davon 1102 Schweizer und 430 mit ausländischem Pass, davon 159 Italiener und 61 Spanier.
Die fortschreitende Überbauung der Grenzzone des Schulkreises Heerbrugg bedingte auch eine neue Grenzziehung zwischen den Pfarreien und Kirchgemeinden Berneck und Heerbrugg. Seit dem Beginn der 60er Jahre wurden die Bruder-Klausen-Kirche mehr und mehr auch zu einer religiösen Heimstatt für Italiener und Spanier, wo deren Seelsorger P. Giustino Longhi und nach ihm P. Pietro Ducoli, resp. Don Antonio Sole i Pich und später Don Jose Polvorosa und Don Elvia Perdreida mit ihren Landsleuten regelmässig Gottesdienst feierten und feiern, und das Pfarreiheim zu deren gesellschaftlichen Begegnungsstätte
Heute feiert Don Alois Tomiczek die spanische Messe in der Pfarrkirche. Bis Mitte 2003 kümmerte sich Don Antonio Angelone um die Anliegen der italienischen Mitchristen. Seine Stelle wurde nach seiner Rückkehr nach Italien nicht mehr neu besetzt, so dass die regelmässigen Italienermessen in Heerbrugg im Jahre 2003 eingestellt wurden. Die Betreuung der älteren italienischsprachigen Mitchristen erfolgt seit dieser Zeit von Schaan/FL aus, durch Don Egidio Todeschini.
Nachdem nun die seinerzeit von den Gründungsmitgliedern der Kapellgenossenschaft angestrebten Ziele weitgehend erreicht waren, wandten Verwaltung und Pfarrangehörige, von den Seelsorgern dazu aufgerufen, ihr Interesse vermehrt auch der Weltmission und den Sorgen und Problemen der Dritten Welt zu. Die drei aus der Pfarrei hervorgegangenen Priester: P. Hans Zoller (Primiz 1958), P. Jos. Graf (1966) und P. Markus Gemperli (1971) sind Mitglieder von Missionsgesellschaften (die zwei erstgenannten Weisse Väter, letzter Missionar der Betlehem Mission Immensee); zwei der Heerbrugger Pfarrer, Karl Rohrbach und Jos. Heule bemühten sich während Jahren in Afrika, der Laientheologe Prof. Dr. René Blank in Sao Paulo, Brasilien, um die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Armen und Ärmsten und den Aufbau einer Gesellschaft im Geiste Christi und des Evangeliums. Sie alle wurden stets von ihrer Heimatgemeinde aus materiell - und wohl auch ideell durch Gebet und Opfer-tatkräftig unterstützt.
Allmählich, vor allem seit dem von den evangelischen Frauenvereinen Berneck und Heerbrugg und dem katholischen Frauenverein Heerbrugg gemeinsam zugunsten der Ausstattung der neuen evangelischen Kirche veranstalteten Bazar, bahnte sich auch eine Zusammenarbeit über konfessionelle Grenzen hinaus an. Sichtbar wurde und wird diese besonders in den ökumenischen Bibelkursen, den für das Fastenopfer und «Brot für alle» veranstalteten Suppentagen, verschiedenen ökumenischen Gottesdiensten im Verlaufe des Kirchenjahres, 2 - 3 jährlich stattfindenden ökumenschen Kirchentagen und einer Erwachsenenbildung die im Jahre 2003 gänzlich auf ökumenischer Basis, gemeinsam mit den Pfarreien Au und Berneck, gestellt wird. So ist die Ökumene heute, über 25 Jahre nach ihrem tastenden Anfängen ebenso selbstverständlich und irreversibel im Dorfleben und den Herzen der Heerbrüggler verankert.